Du willst den Beitrag lieber hören? Klick hier
Wir leben in einer mittlerweile hochtechnologisierten Welt. Und auch wenn das vermeintliche Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, so ist Technologie doch ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Vor allem das Internet und all die wunderbaren wundersamen Möglichkeiten, die es mittlerweile mit sich bringt, ist aus den Köpfen der meisten nicht mehr weg denkbar. Wir sind connected – jederzeit und überall. Wir sitzen vorm Rechner, scrollen am IPad oder haben das Handy in der Hand. Wir sind überall auf Abruf bereit und können auch jederzeit neuen Input bekommen und erfahren, was in der Welt los ist.
Wir werden gelockt mit dem besten Empfang und dem schnellsten Netz – überall, jederzeit, sekundenschnell.
Immer angebunden. Connected.
Das Versprechen dahinter ist fast das gleiche wie damals zur Erfindung der Waschmaschine: Weniger Arbeit, mehr freie Zeit. Was darauf wirklich geworden ist können uns tausende von Frauen erzählen – das Versprechen war hohl. Es gab nicht weniger zu tun – die Arbeit verlagerte sich nur. Und heute wir selbstverständlich von der Frau erwartet, dass sie die mittlerweile so selbstverständlichen „Helfer“ auch noch neben ihren anderen Tätigkeiten erledigt. Das Patriachat hat zurückgeschlagen. Aus vermeintlich weniger Arbeit wurde am Ende mehr. Die unentlohnte Arbeit von Frauen ist immer noch Milliarden wert – allerdings wird sie heutzutage neben einem Job erledigt und nicht anstatt dessen.
Wir haben uns die Zeit klauen lassen
Und so locken uns auch die Versprechen von „immer, jederzeit, überall“, wenn es um das Internet geht. Wir verpassen nichts mehr und bekommen sogar mit, wenn der Sack Reis in China umfällt, bevor er den Boden berührt – irgendjemand wir es schon streamen oder in den Stories teilen. Die Zeit, die uns damals als Freizeit versprochen wurde, wird uns wieder geklaut. Oder besser: wir haben sie uns mit den nächsten Versprechungen klauen lassen. Denn NichtsTun ist vor allem für die deutsche Seele unerträglich. Müßiggang ist schließlich aller Lasten Anfang. Und so haben wir uns bereitwillig verführen lassen. Unsere freie Zeit eingetauscht gegen vermeintliches Wissen und direkten Zugang zum aktuellen Zeitgeschehen. Doch was wirklich passiert ist, ist dass sich das Wissen als Informationen herausstellt, die so erstmal keinen Wert haben, wenn ich sie nicht interpretieren kann. Und der Zugang zum vermeintlichen Zeitgeschehen führt dazu, dass wir zwar überall sind, doch oft nicht da, wo wir gerade wirklich sind. So sind 2018 Kinder in Hamburg auf die Straße gegangen, um gegen den immensen Handykonsum ihrer Eltern zu protestieren. Denn das ist es, worum es geht. Konsum. Wir sind so darauf trainiert ewig zu konsumieren, dass wir manchmal gar nicht mehr wissen, was wir ohne den Konsum tun sollen.
Das Fiese an der ganzen Sache ist: insbesondere die sozialen Medien haben es geschafft uns die nächste Farce zu verkaufen, in dem sie so tun, als ob wir menschliche Beziehungen aufbauen und glücklich werden könnten. Dabei ist es fast so, als ob wir Honig wollen und Aspartam bekommen – ein chemisches Ersatzprodukt, welches uns vorgaukelt, etwas zu sein was es nicht ist, uns nicht wirklich befriedigt und unsere Gesundheit schädigen kann. Genauso verhält es sich mit den vermeintlichen Bindungen in der glänzenden Welt von Instagram und Facebook. Das Verteilen von Herzen soll uns Emotionen vorgaukeln – sogar das an sich so verkopfte Twitter ist darauf eingestiegen – das daraufhin ausgeschüttete Dopamin sorgt für eine schnellen Kick – wir fühlen uns wohl. Doch das, was wir eigentlich suchen haben wir nicht bekommen. Denn: wir suchen nach Verbindung, nicht nach Bestätigung. Bestätigung ist die Ersatzbefriedigung, die wir brauchen, solange wir nicht wirklich verbunden sind.
Wir alle wollen Verbindung. Connection.
Doch wir suchen eben an der falschen Stelle. Und vor allem in die falsche Richtung. Denn das, worum es eigentlich geht, ist uns über die Jahrtausende wunderbar abtrainiert worden. Solange wir uns auf Technologie fokussieren und versuchen dort zu finden, was wir suchen, werden wir immer innerlich leer bleiben. Denn die eigentliche Verbindung wurde in dem Moment gekappt, als der Mensch sich entschied sich über die Natur zu erheben. Wir suchen nach einer Verbindung im Außen, die wir nur im innen kultivieren können.
Zeremonie ist Verbindung ohne Drosselung der Download-Geschwindigkeit
Zeremonie ist die Praxis, die uns hilft in die Verbindung zu gehen, die wir alle so schmerzlich vermissen. Sie ist die Einladung daran uns wieder zu erinnern, wer wir sind. Nicht ohne Grund schielen hochtechnologisierte und satt konsumierte Westler auf die Stämme im Amazonas oder sehen sich nach den Trommeln der Ureinwohner Nordamerikas. Zeremonie ist die Standleitung zu innerem Frieden. Und ja, auch dort können wir uns jederzeit und überall anbinden – ohne Drosselung der Download Geschwindigkeit.
Die Magie der Zeremonie liegt darin, dass sie uns eben nicht nur mit der Welt, sondern vor allem mit uns selber verbindet. Mit dem, was wir als Seele bezeichnen. Denn die Leere, welche wir seit so langer Zeit versuchen mit Dingen zu füllen, erfüllt sich von ganz alleine, wenn wir uns wieder an das Große Ganze anbinden. Das so gerne beschworene Gefühl von „Nicht genug sein“, welches meiner Meinung nach nur ein Symptom von nicht angebunden sein ist, transformiert sich in Präsenz, wenn wir in Zeremonie gehen. Die sich epidemisch ausbreitende Einsamkeit verschwindet im All-ein sein, indem wir erkennen, dass wir nie alleine waren, sondern umgeben sind von so vielem, was wir einfach nur aus dem Blick verloren haben.
Zeremonien sind heilige Momente, die uns seit Urzeiten zusammenbringen. Und es ist an uns diese heiligen Momente wieder ins Hier und Jetzt zu bringen. Beginnen können wir dabei im Kleinen. Indem wir jede unserer Handlungen mit Intention durchführen. Indem wir bewusst in wichtigen Momenten präsent sind. Indem wir es uns wieder erlauben uns mit dem Ruf unserer Seele zu verbinden. Indem wir uns wieder mit dem, was dort in uns schlummert, verbinden. Ind em wir Schnelligkeit gegen Heiligkeit tauschen.
Aufhören die Leere mit Konsum zu füllen
Wenn wir uns daran erinnern, dass die Erde kein zu beherrschender Planet ist, sondern ein lebender Organismus, dann können wir auch unsere Lebendigkeit wieder spüren, als Teil dieses Organismus. Zeremonien laden uns seit Urzeiten dazu ein uns zu verbinden. Sie weben das wahre Internet – das Netz, welches genährt wird durch die Gesänge, Geschichten und Gebete derjenigen, die vor uns kamen und derjenigen, die nach uns kommen werden. Sobald wir uns mit diesem Netz verbinden sind wir wieder wirklich connected. Das, was uns an den Menschen fasziniert, die noch in ihren ursprünglicheren Gesellschaftsformen leben ist die Tatsache, dass die Leere, welche wir mit niemals endendem Konsum zu füllen versuchen, nicht existiert. Dass dort weniger mehr ist. Dass ich dort nicht soviel wie möglich nehmen muss, in dem Versuch glücklich zu sein, sondern so viel, wie ich gerade brauche mich absolut zufrieden macht.
Glück ist zu Frieden wie Aspartam zu Honig
Jedes Mal, wenn die Frauen, mit denen ich arbeite, beginnen sich in Zeremonie zu verbinden und eine Praxis zu kultivieren, passiert das Gleiche: es kehrt Ruhe ein. Der Drang nach Konsum geht zurück. Die Präsenz nimmt zu. Frieden findet sich. Die Jagd nach dem Glück hört auf. Denn Glück ist wie das Aspartam zu Frieden. Es ist nicht das, was wir wirklich suchen. Zeremonien helfen unserer Seele sich zu verorten. Sie geben uns ein Zuhause in uns selbst. Ganz ohne Google Maps. Unsere Seele erinnert sich und schöpft Kraft aus diesen Zusammenkünften und gemeinsamen Momenten.
Zeremonien sind Google Maps für die Seele
Ob es der Geburtstagskuchen ist, welcher seinen Ursprung im Mutterkuchen hat, oder das Osterfeuer, welches uns mit den Frühlingsfeierlichkeiten unserer Vorfahren verbindet – diese uralte Erinnerung, die durch unsere DNA fließt, ist der Grund, warum wir an Traditionen festhalten, auch wenn wir manchmal gar nicht so genau wissen warum.
Bienen retten, anstatt Bienen bauen
Wir brauchen nicht mehr Technologie, wir brauchen mehr Zeremonie. Diese Momente, in denen wir uns dem Hier und Jetzt voll und ganz hingeben. In denen wir unser Herz und unsere Seele öffnen. Und in denen wir empfangen können, was wir wirklich suchen. Frieden und Heimat. Das, was wir in „mainstream-Europe“ seit langem verloren haben. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören über den großen Teich auf die Stämme und Nationen zu schielen, die ihre indigenen Traditionen gepflegt haben und uns daran zu erinnern, dass wir ebenfalls indigen sind. Jede von uns ist Kind des Landes, auf dem sie geboren ist, Hüterin des Landes, auf dem sie wandelt. Und wenn wir uns drauf einlassen, dann können wir sogar noch die fernen Trommelschläge unserer Ahnen hören, während wir im Wald die Augen schließen und die Seele öffnen.
Wenn wir uns so verbinden, dann werden wir auch so viel leichter die Probleme angehen können, die uns aktuell beschäftigen. Wir werden Lebensraum für Bienen in Hannover schaffen, anstatt künstliche Bienen in Harvard zu bauen. Wir werden nachhaltig produzierte Kleidung kaufen und lange tragen, anstatt immer wieder kurzfristig zu konsumieren und zu vernichten. Wir werden wieder miteinander in Beziehung gehen und sein, anstatt den ewig nächsten Kontakt oder Follower zu suchen.
Wir brauchen nicht mehr Technologie, Wir brauchen mehr Zeremonie. Denn auch wenn einige es sich anders wünschen würden: wir brauchen die Natur, sie braucht uns nicht. Wir brauchen Mutter Erde, sie braucht uns nicht. Wir brauchen die tiefe Verbindung und Erinnerung an diesen Organismus – denn durch ihn leben wir und nur mit ihm überleben wir. Nicht andersrum. Und es ist Zeit, dass wir uns daran erinnern.
Und Nu?
Wenn du dich fragst: und was kann ich jetzt tun? Hier kommen 3 Tipps.
- Über dich in Präsenz. Sei da wo du bist. Mit wem du bist. In dem Moment. Voll und ganz. Handy weg. Nicht alles muss geteilt werden.
- Verbringe Zeit in der Natur. Mit all deinen Fasern. Spüre die Elemente, Kälte, Wärme. Öffne dein Herz und deine Seele. Empfange. Umarme einen Baum – nicht kurz, sondern mindestens 5 Minuten. Spüre was passiert.
- Finde eine spirituelle Praxis, die verbunden ist mit den Rhythmen, deinen und denen von Natur und Kosmos. Es geht um Verkörperung, nicht Erleuchtung. Jahreskreisfeste und Mondzyklen können ein guter Start sein. Bewusstes zubereiten regionaler Zutaten beim Essen ein erster Schritt.
- Und: gönn dir bewusste Oxytocin-Duschen, um deine Dopaminabhängigkeit zu reduzieren. Umarmungen, Körperkontakt, Händchen halten, Ölmassagen – all das, wo unsere Haut die Haut von jemandem anderes berührt ist erlaubt. Lange und intensiv. Weg vom Rush, rein in die Ruhe.