Meditation ist heutzutage in aller Munde – oder besser gesagt in aller Mind. Meditation wird all Allzweckwaffe für den gestressten westlichen Großstädter gesehen, als der Weg zu mehr Ruhe und Ausgeglichenheit. Menschen begeben sich in den Schneidersitz, um mehr Ruhe im Alltag zu finden, fokussieren sich auf ihren Atem, um den Stress gehen zu lassen und schließen die Augen auf der Suche nach innerem Frieden. Einer der ersten Schritte, den man in den allermeisten Fällen vermittelt bekommt ist das Ruhig stellen der Gedanken. Was aber, wenn genau das nicht zu dem inneren Frieden führt, den wir suchen?
Momente der Ruhe
Ich liebe es zu meditieren – wenn ich richtig in die Stille tauche, muss ich mir zuvor einen Wecker stellen, um auch wirklich zurück zu kommen. Der Beginn meiner eigenen regelmäßigen Meditations-Praxis liegt jetzt fast 10 Jahre zurück. Davor war es eher ein unregelmäßiges Eintauchen und Ausprobieren, inspiriert von der Praxis meiner Mutter. Aber auch in den letzten 10 Jahren gab es immer wieder Phasen, in denen ich nicht meditiert habe. Irgendwann fragte ich mich, woran das liegen mag. Ich habe verschiedene Arten der Meditation ausprobiert, bin gewechselt von aktiver zu passiver und habe immer wieder auch Momente der Ruhe gefunden. In eine dauerhafte tiefe Stille bin ich aber nur selten gelangt.
Woran also konnte es liegen, dass ich immer wieder in meine Praxis pushen musste und dann nicht in eine wirkliche Stille kam? Die Erkenntnis kam mir, als ich eines Tages im Schneidersitz auf meinem Bett saß und versuchte in Stille zu gehen – indem ich zunächst meinen alltäglichen Gedankenfluss ausschalten wollte. In dem Moment schoss mir eine Frage durch den Kopf: Was ist, wenn es einen maskulinen und einen femininen Weg der Meditation gibt?
Die Disziplinierung der Gedanken
Das Wort Meditation hat seinen Ursprung im lateinischen meditatio „nachdenken, nachsinnen, überlegen“, bzw. im griechischen medomai „denken, sinnen“ – ziemlich viel denken für etwas, was wir als Tor zu einem Zustand frei vom Denken bezeichnen. Das Ziel ist es in einen anderen Bewusstseinszustand zu kommen – Stille, Leere, Einssein oder eben einfach nur frei von Gedanken sein. Damit liegt der Fokus im Allgemeinen auf dem Verstand und den Gedanken. Sie zu haben oder eben nicht.
Meditation so wie ich sie kennenlernte hatte immer etwas mit der Disziplinierung des Minds, des Gedankenflusses zu tun. Es geht darum die Gedanken zu regulieren, um darüber in einen Zustand von Stille und die Freiheit von Gedanken zu kommen. Disziplin, Regulierung, Bändigung und Beherrschung – all diese Worte tauchten immer wieder in Zusammenhang mit dem ersten Schritt zur Meditation auf.
Irgendwie nicht das, wonach ich in meinem Inneren suchte. Und auch nicht der Weg, den ich wirklich gehen wollte. Ich wollte nicht kämpfen. Was aber, wenn ich anstatt mich auf den „Kampf“ gegen die Gedanken zu konzentrieren meinen Fokus auf die Liebe zur Stille richte? Was wäre, wenn ich anstatt Disziplin Hingabe wählen würde?
Wenn Du der Stille gewahr wirst, dann ist da sofort ein Zustand von stiller Wachsamkeit. Du bist präsent. Du bist aus einer kollektiven menschlichen Konditionierung von Tausenden von Jahren ausgestiegen.
Eckhart Tolle
Und so begann ich meinen eigenen Weg in die Stille zu finden. Anstatt gegen die aufkommenden Gedanken zu gehen, zentrierte ich mich auf meine Liebe zur Stille und lies mich Atemzug für Atemzug mehr hineinfallen. Ich bemerkte, wie ich schneller entspannte. Wie die Stille sich größer anfühlte und tiefer, da sie nicht mehr über den Kopf kam, sondern übers Herz. Und es kam häufiger vor, dass ich von meinem Medigong überrascht wurde und mich die Stille auch nach der Meditation weiter begleitete. Es fühlte sich so an, als ob ich über die Hingabe endlich den Raum betreten konnte, nach dem ich gesucht hatte – und es mir möglich war dort auch zu verweilen. Konnte es sein, dass der feminine Weg in die Stille wirklich ein anderer war?
Das Fließen in die Stille
Ich erinnerte mich an eine Metapher, wo feminine Energie als Wasser bezeichnet wird, das immer an den tiefsten Punkt fließt, während maskuline als Feuer, welches nach oben steigt verstanden wird. In der Meditation hatte ich jahrelang versucht, den Verstand und die Gedanken, die nach oben steigen zu bändigen, anstatt mich dem Fluss in die Tiefe hinzugeben. Rückblickend kein Wunder – entstammen doch die meisten gängigen Meditations-Techniken maskulin dominierten und hierarchischen Systemen, wie den Klostern im Himalaya, dem Guru-System in Indien oder der europäischen Kirche. Sie alle haben die Beherrschung des Minds im Fokus um dadurch eine neue Perspektive auf die Welt zu erlangen. Ich habe viel durch sie gelernt, neuer Erkenntnisse bekommen und ich habe meinen Beobachter entdeckt.
Die wirkliche Stille, den weiblichen Urgrund aus dem alles geschöpft wird, habe ich allerdings nicht gefunden. Es ging immer um einen aktiven Schritt, um etwas zu erreichen und die Stille herzustellen, während die feminine Energie die empfangende ist – diejenige, die sich öffnet. Erst durch die liebevolle Hingabe an die Stille, konnte ich mich vollkommen in sie fallen lassen. Denn die Stille ist nichts, was ich erschaffen muss, sie ist immer da, ich darf sie einfach nur empfangen.
Wenn du dich hingibst, empfängst du mehr, als du gibst. Denn du warst nichts und nun wirst du jemand.
Antoine de Saint-Exupéry
Wenn du neugierig auf diesen Weg geworden bist, versuche beim nächsten Mal dich mit der Stille zu verbinden. Als Hilfestellung kannst du dir zunächst einmal vorstellen, wie Stille sich anfühlt und wo du sie wie in deinem Körper wahrnimmst. Erinnere dich an das letzte Mal, in dem du absolute Stille und Verbundenheit gespürt hast. Dann erlaube ihr einfach sich auszubreiten. Von Mal zu Mal kannst du dich mehr hingeben – sei dabei liebevoll mit dir. In unserer ach so geschäftigen Welt ist es manchmal nicht ganz einfach, sich direkt in den Gegenpol fallen zu lassen. Meditation kann totale Hingabe sein – dazu gehört es aus dem Denken in das Öffnen zu kommen.
Ich bemerke, wie ich mittlerweile manchmal mit einem leichten Lächeln aus der Meditation komme und mich die Stille den Tag über begleitet. Das ist die Gehmeditation, die ich mir gewünscht habe – eine beständige Meditation zu sein. Die Stille ist immer da – wenn wir ihr den Raum geben.