Ich verbringe gerade selber wieder aktuell viel Zeit mit meiner Mutter. Und was in dieser Zeit definitiv passiert ist, dass mir mal wieder viele Ding klarer werden und ich einigen Zusammenhänge neu betrachten kann. Es ist nicht immer einfach, doch es lohnt sich immer, denn diese Herausforderung ist auch durchaus eine Chance. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus möchte ich dich heute einladen, über die folgende Frage nachzudenken:
„Was wäre, wenn du deine Mutter nicht als Mutter siehst, sondern anfängst sie als Frau zu sehen?“
Wenn du dich fragst, was das bedeutet soll, hier eine kleine Hilfe. In unser Gesellschaft wird noch immer oft so getan, dass wenn Frauen Mütter werden sie aufhören als Frauen zu existieren und nur noch als Mütter existieren. Ihnen wir quasi ihre ureigene Weiblichkeit abgesprochen und diese mit kultureller Mütterlichkeit ersetzt. Dabei ist jede Mutter in erster Linie Frau und nicht umgekehrt.
Diese besondere Rollenperspektive ist entstanden durch die Einführung der Nuklearfamilie im Patriarchat, die wir in der westlichen Welt als den gegebenen Standard ansehen. Allerdings ist diese nur entstanden, das Männer sicherstellen wollten, dass ihre Kinder auch wirklich von ihnen sind und dass ihre Frauen ihnen gefügig und hörig sind. Und so wurde aus der gruppendynamischen Sippe das Ideal von Mutter, Vater, Kind.
Von Vielen auf eine – übermenschliche Erwartungen
Solange wir in Sippen lebten, waren die Aufgaben und Erwartungen anders verteilt. Es war eben nicht nur eine Frau für die Kinder zuständig, sondern die Frauen teilten sich auf. Tanten wurde nicht durch Blutsverwandtschaft bestimmt, sondern durch soziale Verbundenheit. Sie übernahmen ebenso Verantwortung für die Kinder, denn diese stellten die Zukunft der Sippe dar. Wir hatten also nicht nur eine mütterliche Ansprechpartnerin, sondern viele. Neben den Tanten gab es noch Schwestern und Großmütter. Damals war es noch nicht so, dass man sagt du bist meine biologische Großmutter, kannst du meine Großmutter sein. Sondern all die Frauen die älter waren übernahmen die Aufgabe. Durch diese kollektive Erziehung verändert sich auf einmal die Familiendynamik. In den patriarchalen Strukturen wurden dann der ganze Fokus der feminin Energie auf die eine Mutter gelegt. Die Mütter mussten auf einmal Aufgaben erfüllen, die sie vorher gar nicht inne hatten.
Wenn wir unsere Mutter weiterhin nur als Mutter sehen, nehmen wir uns – vor allem wenn wir selber erwachsen werden – die Chance uns selber auch nochmal ganz unabhängig als Frau zu sehen und wahrzunehmen. Denn solange ich meine Mutter nur als Mutter sehe, sehe ich sie nicht als diejenige die sie wirklich ist. Ich sehe sie in einem Teil ihrer Rolle und ich hänge selber noch mit meinem inneren Kind an den Erwartungen fest, die ich an diese Mutter hatte. Ob diese vielleicht nie erfüllt wurden, ob sie berechtigt sind oder unberechtigt sind, darum geht es gar nicht. Es geht darum wirklich zu merken, dass du in der Vergangenheit festhängst, solange du deine Mutter nur über die Mutterrolle wahrnimmst. Ich bin jetzt erwachsen Ich bin schon lange erwachsen. Ich verdiene mein eigenes Geld. Ich habe meine eigene Unternehmung. Ich habe meine eigenen Pläne. Ich habe eine eigene Wohnung. Ich habe meine eigenen Routinen. Ich habe mein eigenen Freundeskreis. Ich tue ganz viele Sachen, von denen meine Mutter nichts weiß. Ich sehe mich als erwachsene unabhängige Frau. Doch wieso wir uns selber und das ganz vielen anderen Frauen genau das erlauben, nur unserer Mutter nicht?
Erst wenn wir in der Lage sind unsere Mutter aus unseren unerfüllten Erwartungen und Wünschen zu entlassen, erst dann werden wir selber wirklich erwachsen. Und erst dann können wir in unser vollen Verantwortung und Kraft unser Leben leben und gestalten. Erst wenn ich meine Mutter aus ihrer Rolle als Mutter entlasse, übernehme ich voll und ganz Verantwortung für mich, mein Leben, für meinen emotionalen Zustand, für meinen spirituellen Zustand, für mein physischen Zustand. Und ich entlasse sie aus all den Dingen aus der Vergangenheit, die wir nicht mehr ändern können. Viele Mütter haben Sachen falsch gemacht. Doch sie haben ihr Bestes gegeben. Solange ich an der Vergangenheit hänge, bleibe ich in der Vergangenheit. Dies Energie bleibt immer wieder in der Vergangenheit und alte Emotionen werden immer wieder getriggert und ich komme nicht im Hier und Jetzt an.
Solange ich meine Mutter nicht entlasse, bleibe ich immer das kleine Mädchen und sie die verantwortliche Mutter. In dem Moment, wo ich das gehen lasse, in dem Moment, wo ich sie entlasse, in dem Moment können wir uns auf Augenhöhe begegnen. Und dann verändert sich die Welt. Auf einmal sind wir wirklich Teil einer Linie, auf einmal stehen wir als Frauen nebeneinander und miteinander
Dazu gibt es einen magischen Satz ein kraftvollen Mantra. Es lautet.
Wir Frauen
Wenn du deine Augen schließt und innerlich deine Mutter vor dir siehst, dann sage diesen Satz und spüre, wie du reagierst. Solange du noch Widerstand hast, hast du deine Mutter noch nicht entlassen. Ich selber hatte anfangs Widerstand meine Mutter in das Boot der Frauen zu holen. Und so habe ich es immer wieder wiederholt, bis ich in Frieden gekommen bin. Ich bin dran geblieben und habe all die versteckten Erwartungen und Wünsche angeschaut und Verantwortung übernommen. Und heute bin ich tief dankbar zu wissen, dass meine Mutter eine von „uns Frauen“ ist. Denn ich möchte sie da nicht mehr missen.