Mit diesem Post startet die Mini-Serie: Weihnachts-Wahrheiten. Es geht um Wahrheiten über und Weisheiten zu Weihnachten und die Geschichten, die damit zu tun haben.

Wir beginnen mit dem Adventskranz, ist er doch oftmals das erste Zeichen dafür, dass die Weihnachtszeit begonnen hat. Ich persönlich habe keinen Adventskranz oder alternatives Vierkerzen-Setting. Denn: Advent kommt von „adventus domini“, was soviel bedeutet wie „Ankunft des Herrn“. Es markiert also die Zeit, in der in der Kirche das Warten auf die Ankunft Jesu begann. Und da ich nicht darauf warte, gibt es bei mir auch keine Kerze. Früher war diese Zeit auch der Beginn des Kirchenjahres und eine Zeitlang auch noch verbunden mit einer Fastenzeit, das Ganze startete so um das vierte Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrechnung – welche sich ja auch komplett an der vermeintlichen Geburt von Jesus orientiert.

Der Adventskranz wie wir ihn kennen, wurde erst 1839 von Johan Hinrich Wichern erfunden. Er war Pastor, Gründer des „Rauhen Haus“ in Hamburg, Gefängnisreformierer und ein umtriebiger Sozialpädagoge. Im Rauhen Haus war er zuständig für viele Waisenkinder. Diese Kinder begannen ihn Richtung Weihnachtszeit immer wieder zu fragen, wie lange es denn noch dauern würde. So kam Pastor Wichern auf die geniale Idee, einen Kranz zu nehmen, und auf dem Kerzen zu drapieren. Dabei war es so, dass die vier großen weißen Kerzen jeweils den Sonntag markierten und die roten Kerzen dazwischen die restlichen Tage der Woche repräsentierten. Und so zündeten sie jeden Tag eine Kerze an und wussten, wie lange es noch dauern würde. Pastor Wichern war anscheinend ein kreativer Pädagoge.

Wenn du das Bedürfnis nach einem Adventskranz hast, dann folge dem bitte. Oft verbinden wir eben auch familiäre Ereignisse, Traditionen und Erinnerungen damit. Und das ist absolut in Ordnung. Der Kern dieser Serie ist es nicht, dir die Lust an Weihnachten zu nehmen, sondern zu verstehen, woher einige der Bräuche stammen. Zu erkennen, dass es manchmal ziemlich pragmatische Ursprünge sind, dass vieles gar nicht schon so lange existiert, wie wir glauben und dass wir uns eben auch für Alternativen entscheiden können.

So kannst du beispielsweise mit jeder Kerze, die du entzündest, die Intention setzen, dass das Licht zurückkommt. Du kannst es als Botschaft an deine Ahnen setzen, dass sie Zeit der Dunkelheit bald vorbei ist.

1839, das Geburtsdatum des Adventskranzes, ist noch gar nicht so lange her. Und so können wir bewusst anfangen uns die Deutungshoheit über diese magische Zeit wiederzuholen. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass vieles von dem, was eben „schon immer so war“ – eben nicht schon immer, sondern vielleicht nur seit nicht mal 200 Jahren so ist, dann entsteht dort ein Raum für uralte, neue Wahrheiten und gleichzeitig auch eine Freiheit im Denken und Sein. Viele von den Dingen, die uns als Tradition erzählt werden, sind im Kern eben nicht unsere Tradition, sondern durch Missionierung, durch Christianisierung, durch Patriarchalisierung und durch Monotheisierung entstanden. Wir dürfen uns wieder erlauben, die Dinge so zu leben, wie sie ursprünglich gemeint waren. Und nicht, wie sie auch Machtinteressen herausgemacht wurden.