Wir müssen reden… Und zwar darüber wie wir reden. Denn auch wenn das Wort nicht am Anfang stand, so ist es doch der Anfang dessen, was danach passiert.

In der letzten Woche war das Netz erfüllt von #MeToo, einer Online-Kampagne in der sich Frauen, denen sexuelle Nötigung oder sexueller Missbrauch durch Männer widerfahren ist sich zu Wort gemeldet haben. Und für viele Männer war die Anzahl derer die es taten erschreckend. Denn auch wenn vielen bewusst war, dass sexuelle Übergriffe ein Thema sind, so war ihnen das Ausmaß nicht klar.

Als Frau könnte man jetzt verwundert sein, da das Thema doch so offensichtlich und allgegenwärtig ist. Sind Männer etwas blind? Ich würde die Frage gerne umformulieren: sind sie etwa taub? Denn: hören sie nicht, was wir die ganze Zeit sagen?

Das ist der Moment, wo es interessant wird, denn in der Tat ist es so, dass in unserer Gesellschaft Sprache oftmals so eingesetzt wird, dass sie den Täter entlässt, während es das Opfer in den Scheinwerferkegel zerrt.

Vom Täter zum Opfer

Nehmen wir ein Beispiel, welches mir passiert ist. Vor ein paar Jahren fuhr ich mit meinem Fahrrad durch die Stadt, auf einem Fahrradweg. Auf einmal bog ein betrunkener Autofahrer gegen die Einbahnstraße ein und holte mich vom Fahrrad. Ich kam in Krankenhaus mit diversen Brüchen im Gesicht. Wenn man nun darüber berichtet müsste es korrekterweise heißen:

Autofahrer fährt Fahrradfahrerin um.

Was wir aber oft lesen ist:

Radfahrerin von Autofahrer angefahren.

Und schwupps ist der Fokus nicht mehr bei demjenigen, der die Tat begangen hat, sondern bei mir, die unschuldig angefahren wurde.

Und oftmals lautet die Schlagzeile:

Radfahrerin angefahren.

Und nochmal schwupps ist der Autofahrer komplett aus dem Szenario verschwunden und es geht nur noch um mich.

Und dann kann so etwas passieren:

Radfahrerin ohne Helm angefahren.

Und schwupps: kein Wunder, dass sie sich verletzt hat, sie hat ja auch keinen Helm getragen. Und auf einmal bin ich schuld daran, dass meine Knochen gebrochen sind… wo war nochmal der eigentliche Unfallverursacher?

Um es noch einmal etwas deutlicher zu machen:

Tom schlägt Anne. / Anne wird von Tom geschlagen. / Anne wurde geschlagen. / Anne ist eine geschlagene Frau.

Und schwupps… wo war Tom nochmal? Dazu gibt es einen wunderbaren TED Talk von Jackson Katz.

Von Aktion zu Passivität

Durch das sprachliche Passiv entsteht das berühmte „Victim Blaming“, dieses viel beschriebene Phänomen, bei dem Opfern die Schuld für das, was Ihnen widerfahren ist zugeschoben wird. Denn unsere Sprache fokussiert sich so oft auf das Ergebnis und vergisst dabei die Ursache und die Verursacher.

Und was passiert ist, dass wir uns in diesem Szenario beginnen auf die Fragen über Anne zu fokussieren, ihre Kindheit, warum sie nicht gegangen ist…. Dabei sollten wir eigentlich Fragen stellen die sich auf Tom beziehen: denn Tom war derjenige, der Anne geschlagen hat.

Selber schuld

Das Ganze kommt dir bekannt vor? Es passiert tagtäglich und steckt in so kleinen Sätzen wie: Selber schuld. Das war doch klar. In dem Moment schieben wird die Verantwortung für das Resultat eine Person zu. Mein Portemonnaie wird geklaut. Du hättest den Reißverschluss zumachen müssen, selber schuld. NEIN! Ein Unbekannter hat in meine Tasche gegriffen und mein Portemonnaie widerrechtlich entwendet.

Sie war aber auch echt betrunken, war ja klar… NEIN! Der Mann hat sich den betrunkenen Zustand der Frau zunutze gemacht und sie sexuell belästigt.

Sie hatte aber auch einen engen Rock an, selber schuld! NEIN. Der Chef fasst der Mitarbeiterin an den Po. Er hat die Grenzen überschritten, als er übergriffig wurde. Er hat sich falsch verhalten. Die Kleiderordnung steht hier auf einem anderen Blatt.

Und jetzt?

Was bedeutet das nun zusammengefasst? Es lädt jede einzelne von uns dazu ein, aufmerksamer für unsere Sprache zu werden. Es fordert uns auf uns wieder darin zu trainieren Sätze so zu bilden wie sie eigentlich gemeint sind: Peter schlägt Karla anstatt Karla wurde geschlagen zu sagen. Es ist eine Aufforderung nachzufragen: Wer war der Verursacher? anstatt auf der Ergebnis Ebene zu dümpeln. Es lädt uns alle ein wieder genauer hinzuhören und hinzuschauen. Und vor allem immer wider deutlich machen, dass es keine Tat ohne Täter gibt.

Und ja, es bedeutet genauer hinzuschauen, nachzufragen und aufmerksam zu bleiben. Es bedeutet auch, den Blick auf die Ursache zu richten.

Nur wenn wir es schaffen die Täter wieder ins Visier gesellschaftlicher Konversationen zu rücken, dann schaffen wir es vielleicht auch, dass dann endlich nach den wahren Ursachen dieses katastrophalen Zustandes gefragt wird und wirkliche Lösungen angestrebt werden, die frauenfeindliches und frauenverachtendes Verhalten endlich im kein ersticken oder gar nicht erst aufkeimen lassen.

Jede Einzelne kann heue damit beginnen. Indem wir aufhören Opfern die Schuld zuzuweisen. Indem wir unsere Sprache mit dem richtigen Fokus wählen. Und indem wir nach dem Täter fragen und das Opfer nicht alleine lassen.

In Sisterhood

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