Der Jahreskreis ist ein immer wiederkehrender Zyklus – jedem Sommer folgt ein Winter und jedem Winter folgt ein Sommer. Jeder einzeln für sich anders, doch immer wiederkehrend in der Grundenergie. Erkennen wir diesen Rhythmus, dann können wir mit ihm durch das Leben gehen, uns von ihm tragen lassen und ihn für uns nutzen.

Die Praxis der Rauhnächte ist in den letzten Jahren wieder in vielen Haushalten eingekehrt – die Zeit nach der Wintersonnenwende, in der wie in die Zukunft blicken und den Geistern und Ahnen lauschen. Diese heiligen Nächte bilden die Grundlage unseres Handelns, sie sind eine Vorbereitung für das nächste Jahr, für den nächsten Sommer.

Die Sommertage bilden die Grundlage für die Winternächte.

Folgen wir den Prophezeiungen, dann werden wir im Sommer eine gute Ernte einfahren. Wenn wir uns aber daran erinnern, dass nicht nur jedem Winter der nächste Sommer folgt, sondern auch jedem Sommer ein Winter, dann können wir den Sommer als Vorbereitung für den Winter nutzen. Dann können wir es unseren Vorfahren gleich tun und die Ernte aus dem Sommer nutzen, um die Rauhnächte kraftvoller zu gestalten. Zum 8. Vollmond im Mondjahr kamen die Menschen damals zusammen, um den Beginn der Ernte zu begehen, dem noch heute bekannten Schnitterinnenfest. Denn es waren die Frauen, die den ersten Schnitt setzten, die sogenannten Schnitterinnen. Sie waren die Hüterinnen der Ernte, so wie sie im Winter die Hüterinnen der Vorräte waren und im Frühjahr die Samen in die Erde gaben.

Es ist die Verkörperung der drei Aspekte der Großen Göttin – die weiße Maid, die rote Frau und die schwarze weise Alte. Traditionell wurde zum Vollmond ein letztes Mal der Fokus gesetzt, bevor der entscheidende Schnitt zum abnehmenden Mond gemacht wurde. In dieser Zeit wurde das Korn eingefahren, die Speicher wurden gefüllt und die Menschen bereiten sich auf Herbst und Winter vor. Denn das, was wir jetzt ernten, trägt uns durch den Winter. Und zwar nicht nur körperlich als physische Nahrung, sondern auch energetisch, als spirituelle Energie.

Frauen waren im Sommer die Hüterinnen der Ernte.

Im Winter waren sie die Hüterinnen der Vorräte.

Die Schnitterin entscheidet über die Fülle im Winter.

 

Kaja Andrea

Viele Pflanzen tragen jetzt Früchte, das Getreide ist reif und Heilpflanzen haben eine ganz besonders hohe Wirkung. Und obwohl die Tage wieder kürzer werden, scheint die Sonne heißer und intensiver. So können alle Früchte und Pflanzen noch einmal die Kraft der Sonne so richtig in sich aufnehmen. Und es ist genau diese Kraft, die unsere Vorfahren in den Samen, Früchten und Kräutern gesammelt und für den Winter konserviert haben. Es ist die Zeit, in der sich die Spreu vom Weizen trennt, in der sich herausstellt, ob die Saat, die gesät wurde, gut aufgegangen ist und ob der Boden furchtbar war. Aber so wunderbar der Moment ist, es ist auch an der Zeit, einen wirklich bewussten Schnitt zu setzen.

Denn die Zeit der Fülle der Früchte wird vorüber gehen. Wenn wir jetzt nicht ernten, gehen wir das Risiko ein, alles zu verlieren. Die Ernte wird faul und überreif. Wir müssen daher den konkreten Schnitt setzen und das Getreide abschneiden, damit wir es auch nutzen können. Und so können auch wir heute für uns schauen, an welcher Stelle wir persönlich den Schnitt setzen – welche Ernte erfolgreich war, welche Saat nicht aufgegangen ist, wo wir etwas mit der Allgemeinheit teilen können.

Wenn wir den Schnitt nicht klar setzen,

riskieren wir alles zu verlieren.

Kaja Andrea

Dies ist ein wunderbarer Moment, um auch selbst einmal genauer hinzuschauen und einen Schnitt zu setzen. Uns bildlich vorzustellen, wie wir über die Felder unseres eigenen Lebens gehen. Wir schauen zurück zu unseren Visionen aus den Rauhnächten und den daraus entstandenen Intentionen und werden klar darüber, wo diese Wirklichkeit geworden sind, welche vielleicht nur noch ein wenig mehr Sonne brauchen und welche nicht realisierbar waren.

Und auch da gilt es beherzt und ehrlich zu sein – so wie die Schnitterin, die mit ihrer Sense den Schnitt setzt.

  • An welcher Stelle ist es meine Verantwortung?
  • Wo habe ich die Samen in unfruchtbaren Boden gegeben?
  • Wo habe ich nicht genügend gewässert?
  • Wo war es quasi eine allgemeine Dürre, der ich machtlos gegenüberstand?

Ernte bedeutet auch immer Abschied & Tod.

 

Kaja Andrea

Ernte bedeutet auch immer Abschied, Tod und Klärung. Durchtrennen, Durchschneiden, Abschneiden und Beenden. Doch nur durch diesen Schnitt kann etwas Neues entstehen. Nur wenn der Apfelbaum den Apfel abwirft, kann er neue Äpfel wachsen lassen. Aber die Frauen setzten nicht nur den ersten Schnitt bei der Ernte des Korns, sondern sammelten zu dieser Zeit auch die Heilkräuter ein, die im Winter der Sonnenenergie der Sonne dabei helfen, zurück zu kommen. Wenn wir uns wieder mit diesem alten Wissen verbinden, dann erinnern wir uns daran, dass der Sommer und die Ernte die Basis für unseren Winter bilden. Dass wir jetzt schon vorsorgen können für die dunkle Jahreszeit. Das wir uns jetzt schon versorgen können, für die langen Nächte und die Kälte.

Die Körner, die wir im Sommer ernten, werden zu dem Brot, welches wir im Winter backen. Die Kräuter, die wir im Sommer sammeln, werden zu dem Tee, der uns im Winter heilt, werden zu dem Rauchwerk, dass in den dunklen Nächten das Licht zurückbringt und unseren Rauhnächten besonders viel Magie und Kraft schenkt. Wir können noch heute barfuß in der Sommersonne Kräuter sammeln und deren Energie im Winter nutzen. Wir können uns bei der Erde dafür bedanken, dass sie uns so wunderbar nährt und ihre Früchte einmachen, während wir mit der Intention die Sonne in ihnen konservieren. Es wird gesagt, dass nach dem Schnitterinnenfest die Ernte bis zum letzten Augustvollmond abgeschlossen sein muss, da danach die Pflanzen allmählich ihre Kräfte nach innen zurückziehen, um sich für den Winter vorzubereiten.

Die alten Bräuche erinnern uns daran, in Zeiten der Fülle für die Zeiten des Mangels vorzusorgen.

Kaja Andrea

Und auch darin liegt eine Weisheit – die Dinge anzugehen, wenn es an der Zeit ist und sie nicht rauszuschieben, weil es wichtigeres gibt. Die alten Bräuche erinnern uns daran, uns in Zeiten der Fülle für die Zeiten des Mangels vorzusorgen und uns Zeiten in Zeiten des Lichts für die langen Nächte vorzubereiten. Wir können das alte Wissen wunderbar in unseren modernen Alltag integrieren und die Bräuche anpassen und übertragen. Die Jahreskreisfeste sind mehr als nur ein Anlass zusammenzukommen – sie folgen einem uralten Rhythmus und dienen als Kompass durch den ewigen immer wiederkehrenden Zyklus von Tod und Geburt.

Und so verbinden wir uns nicht nur mit uns selbst, sondern auch mit der Natur und ihrem Rhythmus. Ich persönlich erlebe für mich immer wieder, dass diese Rückbesinnung mir hilft mich zu fokussieren und in meinen eigenen Rhythmus zu finden und wieder in Einklang nicht nur mit mir, sondern auch mit Mond und Sonne zu kommen. Durch diese bewusste Rückverbinden, werde ich achtsamer und auch klarer, unterliegen wir in unserer Gesellschaft doch oft willkürlichen Deadlines und einem ewigen Wettlauf.

Die Verbindung mit der Natur und den Kompass der Jahreszeiten erlaubt es auch mal wieder durchzuatmen und einen neuen – und gleichzeitig uralten – Bezugsrahmen zu entwickeln. Und selbst, wenn wir diesem nicht immer folgen können, so ist er für mich eine hilfreiche Orientierung. Und ich hoffe für dich auch.

In Sisterhood,

 

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