Wir haben es versucht. Wir haben es wirklich versucht, mit aller Kraft. Doch spätestens jetzt ist der Moment gekommen, um einzusehen, dass wir versagt haben. So sehr haben wir uns als westliche Wissende bemüht, die Natur zu bezwingen, doch spätestens jetzt zeigt sie uns, dass sie nicht bezwingbar ist. Sie zeigt uns, dass wir nicht außerhalb von ihr existieren, sondern Teil von ihr sind.
So lange haben Menschen versucht sich über das Große Ganze zu erheben, sich besser zu stellen als Tiere und Pflanzen und andere Menschen, haben wir Europäer die Idee vom Menschen als Spitze der Evolution zur Ideologie gemacht. So lange haben wir versucht zu bezwingen, anstatt zu bewahren.
Du hörst lieber anstatt zu lesen? Dann geht es hier lang.
Wir haben es versucht und dabei eine Welt voller Ungleichheiten kreiert, denn nur wenn es ein unten gibt, kann es ein oben geben. Dies war jedoch nicht immer da oder ist „gottgegeben“ wie einige gerne behaupten – es wurde bewusst geschaffen. Dieses Spiel spielen wir nun schon so lange, seit mehr als 5000 Jahren – und wenn wir in dieser kurzen Spielpause genauer hinschauen, so gibt es am Ende nur Verlierer. Und zwar nicht nur die offensichtlichen; ausgestorbene Tierarten, verschwundenes Saatgut, unterdrückte und versklavte Menschen, diskriminierte, gefolterte, ausgebeutete und getötete „Andere“, sondern auch der weiße privilegierte Mann. Auch er hat verloren, denn am Ende hat er sich um das gebracht, wonach er solange suchte – eine Heimat, in der er einfach sein kann. Einen Ort an dem er sich nicht permanent beweisen muss. Eine Beziehung, in der er vertrauen kann und in der ihm vertrauen entgegengebracht wird. Der Preis dafür ist hoch – er ist nicht zu bemessen.
Ich habe die letzten Wochen wenig zu der aktuellen Situation gesagt oder geschrieben, ich habe unterstützende Impulse für akute emotionale Überwältigung gegeben und habe beobachtet. Denn: ich kenne die Wahrheit nicht und
Ich glaube nicht, dass die Welt eine weitere Meinung braucht, nur der Meinung wegen.
Damit spiele ich einfach nur das bisherige Spiel weiter. Wenn ich denke, dass meine Meinung so hörenswert ist, dass sie unbedingt in die Welt muss. Und ich fühlte, meine Meinung war es nicht. Ich hatte nicht das Gefühl einen wirklich wichtigen Beitrag leisten zu können, einen Mehrwert wie man so schön sagt.
Ich habe gesessen, bin gewandert, habe gefühlt, habe gehört und habe meine Gedanken sortiert. Ich habe versucht für mich hinter den Lärm zu lauschen, die Stille hinter dem Sturm wahrzunehmen, bin dabei ein paarmal in Emotionen versunken und habe mich wieder hinausgekrabbelt.
Ein Spiel in dem am Ende alle verlieren
Und nun sitze ich hier am Schreibtisch meines Vaters, blicke an den grauen Himmel und in die vom Wind schwankenden Bäume und das, was ich fühle ist: es ist vorbei. Was vor über 5000 Jahren mit den Indoeuropäischen Stämmen und der Eroberung Mesopotamiens und Ägyptens begann kann nun zu einem Ende kommen. Es ist fast so, als ob die Spielzeit vorbei ist, doch die Spieler nicht aufhören wollen, um jeden Preis in der erzwungenen Nachspielzeit noch gewinnen wollen. Ein Spiel, in dem wir am Ende alle verlieren.
Dieses Spiel heißt Krieg und Unterwerfung, es darf mit allen Waffen gespielt werden, die einzige Regel ist: es kann nur einer gewinnen. Höher, schneller, weiter, reicher, brutaler. Und auch wenn es den Anschein hat, als ob hier in Teams gespielt wird, so ist es am Ende immer nur der eine, der die Ehre, den Ruhm, die Medaille oder den Titel bekommt. Denn es kann nur einen geben. Einen König, einen Chef, einen Boss.
Den kann es nur geben, weil das Spiel auf Kosten all der anderen geht – vorweg Frauen und Kinder. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende wurde das Spiel ausgebreitet, es kamen anders Aussehende, Glaubende, Denkende hinzu – es ist beliebig erweiterbar, wer alles auf der Strecke bleiben kann, nur damit der Eine gewinnt.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass die originäre Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies 3000 Jahre vor Christus erzählt wurde, dass die Warnung war: Zuviel Wissen vertreibt dich aus der Gemeinschaft. Zuviel Verstand spaltet dich ab. Zuviel Intellekt verschließt dir das Tor zu deiner wahren Heimat. Offensichtlich hörte niemand auf den weisen Mystiker, definitiv nicht diejenigen, die noch heute dem süßlich faulenden Duft der Macht folgen – irrgetrieben von der Idee, dass sich dort findet was sie suchen. Was viel interessanter ist, ist das die Geschichte sich erhalten hat. Sie wurde verändert – lass die Frau die Frucht pflücken, es wurden Elemente gestrichen – wie der zweite Baum, der Baum der Weisheit, und das Ende beliebig angepasst – wie die Option der Rückkehr zu verschweigen – und doch hat sie überlebt und ist wohl eine der bekanntesten Geschichten der Menschheit. Und ja, im Original gab es auch keinen männlichen Gott – es war der schöpferische Geist.
Die Heimkehr nach dem Krieg
Blicke ich nun aus dem Fenster an diesem stürmischen Tag, so höre ich das Pfeifen der Scorpions und bete, dass der „wind of change“ uns dabei hilft uns zu erinnern. Wir können wieder in den Garten Eden zurückkehren, wie können wieder in Einklang kommen, wir können wieder zueinander finden. Doch dazu müssen wir aufhören die Frucht vom Baum des Wissens weiter auszulutschen. Wir müssen uns an den zweiten Baum erinnern, den Baum des Lebens. Seine Frucht ist die Frucht der Weisheit. Sie ist das Gegengift – und damit das Heilmittel.
Dabei genügt es nicht, nur von dieser Frucht zu kosten, wir müssen auch beginnen uns von dem Zwang des Wissen schaffen zu befreien, trocken zu werden von der Droge Wissenschaft. Wir müssen uns verabschieden von ewigen Beweisen und Belegen, sondern uns wieder darauf einlassen können den Horizont, um Befindlichkeiten und Visionen zu erweitern. Wir müssen aufhören immer warum zu fragen, sondern uns mehr auf das wozu konzentrieren. Wir müssen aufhören auf logische Schlussfolgerungen zu beharren, sondern auch gefühlte Visionen zulassen. Dabei geht es nicht darum, dass eines besser als das andere wäre, sondern die Balance herzustellen.
Es bedeutet auch den Kampf um das Recht zu beenden. Denn wenn es am Ende nur noch darum geht Recht zu haben und zu gewinnen, dann geht es nicht mehr darum, die Wahrheit zu finden. Denn:
Wenn sich herausstellt, dass ich nicht Recht habe.
Wäre ich bereit dem Anderen zuzuhören?
Die Antwort darauf sagt soviel mehr über uns aus, als es vielleicht anfänglich erscheinen mag. Wir sind über die Jahrtausende so sehr an das Spiel von Kampf und Sieg gewöhnt, dass wir begonnen haben zu glauben, dass es die Wahrheit ist. Was wäre jedoch, wenn es nicht wahr ist? Wären wir bereit zuzuhören? Wären wir bereit, ein anderes Spiel zu spielen? Wären wir bereit uns zu erinnern, an das, was davor war?
Die Erinnerung ans Mutterland
Diejenigen, die uns auch heute noch daran erinnern, dass es eine Alternative zu der von uns kultivierten Lebensweise gibt sind die, die sich noch daran erinnern, wo der Baum des Lebens steht. Diejenigen, die die Frucht der Weisheit bewahrt haben und sie der Welt immer wieder anbieten. Wir finden sie zumeist nicht in den hippen Yogastudios des Großstadtdschungels in NYC oder in der bewusstseinserweiternden Ceremony im brachliegenden Hinterhof irgendwo in Berlin. Wir finden sie in den wahren Wäldern und echten Wüsten, draußen, dort wo der kultivierte Großstädter oftmals nur einen Bruchteil seiner Zeit verbringt.
Die indigenen Völker dieser Welt tragen die Weisheit in sich, nach der sich der ach so zivilisierte Westler sehnt. Die sprechen noch die Sprache der Pflanzen und Tiere, sind zuhause im Großen Ganzen und in Frieden mit dem was ist. Sie sind die Weisheitshüter der Menschheit. Sie können uns den Weg nach Hause zeigen. Sie können uns helfen den Frieden zu finden, den wir in all dem alltäglichen Kampf verloren haben. Sie können uns helfen uns an das in uns zu erinnern, was uns verbindet, anstatt uns zu trennen. Und anstatt auf den Native American zu schielen ist es eine Einladung uns daran zu erinnern, was es bedeutet Native European zu sein.
Native bedeutet „einheimisch“, daheim in der Landschaft, verbunden mit dem Land.
Nicht dem durch Kampf gebildeten, durch künstliche Grenzen entstandenen Vaterland, sondern dem erlebten, nährenden Mutterland.
Denn: unsere Gesellschaft basiert auf Kampf. Der Kampf ums Gewicht, um die beste Position, um den Mann, ums Ansehen, um Status, und und und. Immer müssen wir in diesem Kampf etwas beweisen, denn ohne Beweis sind wir nichts wert. Was wäre, wenn wir den Kampf sein lassen? Was wäre, wenn wir anstatt um unser Glück zu kämpfen zufrieden sein könnten? Was wäre, wenn wir, anstatt den Noise Cancellation Kopfhörer in der Großstadt aufzusetzen, um alles auszublenden, unsere Sinne wieder öffnen um der Natur zu lauschen?
Es würde uns daran erinnern, dass das Spiel, welches wir seit Jahrtausenden spielen eines ist, in dem wir nur verlieren können. Denn selbst, wen wir kurzzeitig das Gefühl haben wir haben gewonnen, selbst wenn es einige gibt, die anscheinend den Jackpot gezogen haben, so verlieren wir am Ende als Menschheit. Der Kampf um den Gewinn der Spitzenposition im Hier und Jetzt, bedeutet den Verlust von Perspektiven für diejenigen, die uns folgen. Der unbändigen Hunger nach mehr, bedeutet Mangel für die kommenden Generationen. Nimm nur soviel wie du brauchst, lautet eine indigenen Weisheit. Gebe soviel wie du kannst. Während wir das ganze Feld abernten, den Ertrag horten und das Verdorbende entsorgen.
Der Schmerz der Heilung
Wir haben es versucht, wir haben versucht gegen die gegebenen Regeln zu bestehen und die Illusion von höher, schneller, weiter als Realität dazustellen. Für eine kurze Weile hat es so ausgesehen, als ob es funktioniert. Doch das Spiel ist aus. Es ist abgepfiffen und dennoch tun wir so, als ob es eine Verlängerung gebe. Es ist Zeit uns daran zu erinnern, wer wir wirklich sind. Zu erkennen, dass wir einem Irrglauben aufgesessen sind, dass wir eine Fata Morgana der wahren Oase vorgezogen haben.
Wir haben als Westen der Welt unsere Idee uns unseren Glauben aufgezwungen, diejenigen die anderer Meinung waren unterdrückt und beseitigt. Wir wollten Recht haben, es hängt soviel daran. Denn:
Wenn all das, von dem ich glaubte, dass es wahr ist nicht wahr ist,
was bedeutet das dann für mich und die Welt, die ich mir kreiert habe?
Es ist schmerzhaft sich geschlagen zu geben, wenn gewinnen die einzige Option war. Doch es kann auch heilsam sein. Und es ist definitiv wert, es zu versuchen.
Nicht nur für uns, sondern vor allem für all diejenigen, die nach uns kommen werden.