Der Internationale Frauentag steht vor der Tür. Für mich ein Tag, an dem ich eine Kerze anzünde für die mutigen Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts für ihre Rechte und damit für die Rechte aller Frauen – uns mit eingeschlossen – gekämpft haben. In Deutschland standen Clara Zetkin und Käte Duncker als die Initiatorinnen dieses Tages an der Spitze der Bewegung.
Wahlrecht für alle
Inspiriert von der Gründung eines Nationalen Frauenkommitees in den USA schlug Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 die Einführung eines internationalen Frauentages vor. Das wichtigste Thema war die Forderung nach dem freien, geheimen und gleichen Frauenwahlrecht.
Ein Jahr später wurde dann der erste Frauentag durchgeführt und der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Überall in Deutschland fanden Versammlungen statt und allein in Berlin waren rund 45.000 Frauen dabei. Gleichzeitig gingen Frauen in Österreich, Dänemark, der Schweiz und in den USA auf die Straße und überall wurde die folgende Resolution verabschiedet:
„Die Forderung nach dem Frauenwahlrecht ist die notwendige Folge der durch die kapitalistische Produktionsweise bedingten wirtschaftlichen und sozialen Umwälzung, die die Stellung der Frau von Grunde aus umgewandelt hat. Zehn Millionen Frauen, die im gesellschaftlichen Produktionsprozess tätig sind, die Millionen Frauen, die als Mütter Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, die als Hausfrauen die schwersten Pflichten übernehmen, erheben mit allem Nachdruck Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung.“
1918 wurde in Deutschland das Wahlrecht für Frauen ab 20 Jahren eingeführt.
Von der Urne zum Leben
Im 3. Reich wurde der Frauentag verboten. In der damaligen sowjetischen Besatzungszone wurde er 1946 wieder eingeführt und in der späteren DDR auch beibehalten. Im westlichen Teil wurde der Tag erst 1948 wieder gefeiert, allerdings mit dem Fokus Bewahrung des Friedens und der Kampf gegen die Wiederbewaffnung der BRD. Erst in den 1960er-Jahren wurde er mit dem Engagement der neuen Frauenbewegung, die vor allem die Gleichberechtigung in den Mittelpunkt stellte wahrlich wiederbelebt.
Und so änderte sich der Fokus vom Wahlrecht an der Urne zum Wahlrecht im Leben. Denn viele von den Dingen, die wir heute als selbstverständlich nehmen, sind noch gar nicht so lange selbstverständlich – auch wenn sie es sein sollten. Bis 1958 hatte der Ehemann das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder inne. Auch wenn er seiner Frau erlaubte zu arbeiten, was sie ohne seine Erlaubnis nicht durfte, verwaltete er ihren Lohn. Außerdem konnte er, wenn es ihm beliebte, den Anstellungsvertrag seiner Frau nach eigenem Ermessen und ohne deren Zustimmung fristlos kündigen. Ganz pikant: In Bayern mussten Lehrerinnen zölibatär leben wie Priester – sobald sie heirateten mussten sie ihren Beruf aufgeben. Damit sie entweder sich voll und ganz der Erziehung fremder Kinder oder eben ihren eigenen zur Verfügung stehen konnten.
Scheidung bei Nein zum Sex
Noch bis 1962 durften Frauen ohne Zustimmung des Mannes kein eigenes Bankkonto eröffnen – das bedeutete totale wirtschaftliche Abhängigkeit trotze eventueller eigener Arbeit. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. Seitdem wird auch erst der eheliche Beischlaf nicht mehr als eheliche Verpflichtung seitens der Frau angesehen! Damit kann die Frau faktisch erst seit 1969 über sich als eigenständiges Wesen in der Ehe verfügen. Davor konnte die Verweigerung des Beischlafs als Scheidungsgrund eingereicht werden – wobei die Frau dann selbstverständlich die Schuldige und damit schlussendlich wirtschaftlich und gesellschaftlich Benachteiligte war. Das ist noch nicht einmal 50 Jahre her! Und erst 1977 wurde das Gesetzt geändert, mit dem eine Frau die Erlaubnis ihres Mannes haben musste, wenn sie arbeiten wollte!
„Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“ war damals die Hauptforderung der „Mütter“ des Internationalen Frauentags. Auch wenn diese Zielsetzung inzwischen erreicht wurde, so ist die Gleichstellung der Geschlechter dennoch weder in Deutschland noch im Rest der Welt eine Realität.
Von geschrieben zu gelebt
Auch wenn wir heute faktisch vor dem Gesetz gleichberechtigt sind, so sieht die Realität an vielen Stellen immer noch anders aus. Schwangere Frauen, denen die Karriereleiter zersägt wird, Frauen die mehr für weniger Lohn arbeiten, Frauen, die aufgrund ihres Äußeren sexualisiert oder diskriminiert werden, Werbung die bewusst frauendiskriminierend ist, Frauen die abends andere Wege gehen als tagsüber, weil sie sich nicht sicher fühlen… die Liste ließe sich beliebig erweitern. Der Internationale Frauentag hat seine Wichtigkeit daher nicht verloren und wird weiterhin jährlich begangen. Auf der ganzen Welt machen Frauen am 8. März mit Veranstaltungen, Feiern und Demonstrationen auf noch immer nicht verwirklichte Frauenrechte aufmerksam.
„Dieser Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann.“
Clara Zetkin, 1911
Ich lade uns alle ein, das Erbe von Clara und Käte anzutreten. Die erste Initiative des Frauentages kam aus Deutschland – inspiriert von den USA. Nicht umsonst gibt es den Begriff, dass die Geschichte sich wiederholt. Mit dem Unterschied, dass heute wir, als die „Enkeltöchter“ der damaligen Initiatorinnen gefragt sind. Wie wäre es also, wenn wir alle gemeinsam, auch diesmal die Initiative ergreifen und uns wieder stark machen für die Rechte der Frauen? Denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Und es gibt noch eine ganze Menge für das es sich lohnt aufzustehen.
Und nein, Feminismus ist definitiv nicht retro oder überflüssig, solange Frauen eben nicht auch gelebt gleichberechtigt sind. Und somit erhebe ich mich auch in diesem Jahr für eine Gesellschaft und eine Welt, in der Gleichberechtigung nicht nur geschrieben, sondern auch gelebt wird.
In Sisterhood,