Ich glaube der vergleichende Gegensatz von Angst und Liebe ist den vergangenen 20 Monaten so oft bemüht worden wie schon lange nicht mehr. Und er ist meiner Meinung auch so oft missbraucht worden, wie ich persönliche es zuvor es noch nie erlebt habe. Vor allem im esoterisch-manipulierenden Bereich – dessen Grenzen übrigens sehr fließend sind und sich für mich in den vergangenen Monaten leider noch eher erweitert, als geklärt haben.

Das Narrativ, welches immer wieder gerne bemüht wird ist das folgende: Wenn du nicht in der Liebe – und damit auch lichtvoll – bist, dann bist du automatisch in der Angst. Sprich also umgekehrt, wenn du in der Angst bist, dann kannst du nicht Liebe sein. Bevor ich darauf eingehe, was diese Dualität außer Acht lässt, möchte ich kurz auf ihre Problematik eingehen. Denn das Narrativ von Angst oder Liebe wiederholt das patriarchale binäre Prinzip von Mann / Frau, hell / dunkel, gut / schlecht – und damit verfestigt es alte ausgediente Strukturen. Um es konkreter zu machen: solange ich in einem binären Konstrukt hänge, ignoriere ist sämtliche Zwischenzustände, Optionen C bis Z und limitiere mich auf eine ziemlich beschränkte Perspektive der Welt. Erst wenn ich mir erlaube zu denken, dass es nicht nur entweder oder gibt – also hell oder dunkel, gut oder schlecht, Mann oder Frau – kann ich wirklich beginnen die Welt so zu erfassen wie sie wirklich ist. Facettenreich, uneingeschränkt im potentiellen Ausdruck und Erscheinen, bunt anstatt schwarzweiß – inklusive all der 50 Schattierungen von Grau.

Gut und Böse erklären die Welt

Die binäre beziehungsweise dual geprägte Weltsicht ist eine religiös geprägte Weltsicht – sie teilt die Welt in gut und böse – willkommen Erbsünden-Eva und süffisanter Satan. Sie macht die Welt aber auch dadurch kontrollierbarer und vereinfacht komplexe Zusammenhänge durch A oder B. Alleine dadurch, dass wir immer denken, dass etwas automatisch ein Gegenteil haben muss, sind wir in der Idee der Binarität bzw. Dualität gefangen. Denn: was ist das Gegenteil von Grau? Diesem Zwischenzustand von Schwarz und Weiß, der die Dualität der beiden widerlegt? Was ist mit dem Zustand, in dem ich nicht glücklich aber auch nicht traurig bin? Negiere ich dessen Existenz, weil er nicht in das Schema passt? Würden wir diesen Zustand anerkennen, würde sich unser ganzes emotionales Spektrum verschieben und wir wären nicht mehr gefangen zwischen Glück und Trauer. Und vor allem: wieso ist Trauer das Gegenteil von Glück? Und nicht Trostlosigkeit, Unglück oder Unheil?

Mir hat die Dualität der christlichen Weltsicht auch lange geholfen die Welt in Schubladen zu stecken und irgendwie fühlte sich diese Einordnung auch immer nach Sicherheit an und der Fähigkeit die Welt zu verstehen. Bis mir klar geworden ist wo ihr Ursprung liegt. (Darum geht es auch unter anderem in Spiritual Feminst) Bevor die christlichen Missionare Turtle Island – den nordamerikanischen Kontinent – erreichten, kannten die Ureinwohner dort noch bis zu 15 Gender. Und offensichtlich hatten sie kein Problem damit, sondern lebten gut mit dieser Offenheit des menschlichen Ausdrucks. Was eben auch daran lag, dass es nicht um Kontrolle, Herrschen und Schuld ging, sondern darum miteinander in Gemeinschaft zu existieren.

Kalkulierte Narrative als esoterischer Narzissmus-Move

Und darum geht es ja auch aktuell – es geht nicht um Angst oder Liebe, es geht um unseren Gemeinschaftssinn. Viel zu oft habe ich lesen müssen, dass so viele Menschen aktuell aus Angst handeln. Dass Menschen, die sich impfen lassen, dies aus Angst heraus tun. Dass die aktuelle Spaltung der Gesellschaft aus Angst heraus passiert. Und ich glaube nicht, dass es so ist. Ich glaube, dass das ein ganz kalkuliertes Narrativ ist. Denn wenn ich dir Angst vorwerfe, dann komme ich ja automatisch in die Kategorie Liebe. Cleverer esoterisch-narzisstischer Move. Denn ich persönlich kann keine Liebe erkennen, wenn Menschen getötet, bedroht und körperlich verletzt werden. Doch es wird ja angeblich aus Liebe zu etwas gehandelt. Und der „Masse“ wird Angst vorgeworfen – sonst würden sie ja auch für die Freiheit kämpfen, für ein neuen System, für Selbstbestimmung.

Well, here are the news my friend! Durch die Entscheidung mich impfen zu lassen habe ich mich genau dafür entschieden – für die Freiheit, für Selbstbestimmung und vor allem für Gemeinschaft. Ich habe im letzten Jahr viel Zeit mit alten Menschen verbracht. Ich kenne Menschen, die an CoVid verstorben sind. Ich kenne Menschen, die an Corona erkannt sind. Ich kenne Menschen, die LongCovid haben und immer noch mit dem Alltag kämpfen, ich kenne Menschen deren OPs verschoben wurden, weil die Kapazitäten im Krankenhaus erschöpft waren, ich kenne Menschen, die immer wieder in Quarantäne mussten, ich kenne Menschen, die sich durch Transplantationen oder andere körperliche Konditionen wirklich nicht impfen lassen können, ich kennen Menschen deren wirtschaftliche Existenz in den letzten Monaten fast komplett oder wirklich absolut verschwunden ist. Kurzum ich kenne Menschen. Und ich respektiere Menschen. Und vor allem glaube ich an Gemeinschaft.

Narzissmus und Nabelschau

Meine Entscheidung mich impfen zu lassen – und sobald es mir möglich ist, nehme ich auch gerne den Booster – ist eine, die nichts mit Angst zu tun hat, sondern mit Gemeinschaftssinn. Denn das ist es, worum es eigentlich geht – mich selbst nicht wichtiger nehmen als die Gemeinschaft. Erkennen, dass wenn alle sicher sind, auch ich sicher bin. Realisieren, dass das Bestehen auf die vermeintliche Freiheit oder Unabhängigkeit ein narzisstischer, egoistischer Schritt ist. Denn er stellt den Anspruch des Einzelnen über das Wohl der Gemeinschaft. Und aktuell sehen wir meiner Meinung nach ein wenig zu viel davon – nein ich muss es anders sagen – ich bin müde den Narzissmus und die Nabelschau weiter mitzutragen.

Du willst mein Mitleid? Dann fordere ich zunächst dein Mitgefühl!

Dabei geht es mir nicht um mich, sondern um die vulnerablen Menschen in unserer Gemeinschaft. Denn jede Gemeinschaft ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied – und vor allem wie ihr Gemeinschaftssinn. Ich glaube was wir aktuell sehen ist – neben viel verwirrter Weltsicht – eben auch eine Konsequenz des westlichen Kapitalismus, der uns immer mehr auf Individualität eingeschworen hat, der uns das giftige Märchen von der immerwährenden persönlichen Bedürfniserfüllung einflüstert und der es uns so schwer macht zu verstehen, dass sich die Welt eben nicht nur um mich dreht. Aktuell geht es nicht um meine Freiheit, sondern es geht um die Sicherheit von Millionen von Kindern, Alten und immungeschwächten Menschen. Das hat nichts mit Angst oder Liebe zu tun, sondern mit Gemeinschaftssinn und der Frage: bin ich bereit in einer Gemeinschaft zu existieren? Ich möchte Teil dieser Gemeinschaft sein – von diesen Menschen, die umsichtig miteinander sind, die Rücksicht aufeinander nehmen und die auch man bereit sind ihr persönliches individuelles Wohl zurückzustellen, um für das übergeordnete Wohl der Gemeinschaft zu sorgen.

Community oder Kult?

Das Narrativ von Angst und Liebe greift zu kurz, denn es besagt wieder es ginge ja nur um dich. Und auch wenn aktuell so gerne in Posts verwendet wird, die sich gegen die vermeintliche Spaltung der Gesellschaft richten, so sorgt es doch genau dafür. Dass wir in Angst und Liebe spalten. Dass ich mich wieder darauf zurückbeziehen kann, dass ich ja in Liebe bin und die anderen in Angst – und schwupps sind wir wieder gespalten! Tja, so ist das mit der Dualität, sie lässt uns da nicht raus.

Deswegen kommt hier mein Angebot: lassen wir das fehlgeleitete toxische Narrativ von Angst und Liebe sausen! Denn im klassisch binären Sinne ist Angst ja eigentlich eh das Gegenteil von Mut und Liebe das Gegenteil von Hass – fast hätten wir es schon vergessen bei all den Instagram-Posts, die uns was anderes erzählen wollen.  Und wenn wir uns nun noch dafür öffnen, dass es nie um Angst oder Liebe ging, dann kommen wir zum wahren Kern. Gemeinschaft. Das ebenso oft propagierte Ding von Community oder Sisterhood. Community, die nur dann funktioniert, wenn wir alle homogen das Gleiche tun ist in meinen Augen eher ein Kult als eine Community. Sisterhood der davon anhängt, dass wir besser sind als der Rest der unwissenden Masse, ist eher eine Sekte.

Miteinander reden und hinterfragen

Kurzum: ich bin offen für jeden Dialog und ernst gemeinten Austausch. Ich bin bereit alle spirituellen Fragen zum Impfen zu beantworten und mit dir über deine Unsicherheiten zu sprechen. Ich bin allerdings nicht mehr bereit ein Verhalten zu tolerieren, welches bewusst anderen Menschen schadet und das eigene egoistische Wohlbefinden über das Gemeinwohl stellt. Und das hat nichts mit Angst oder Liebe zu tun. Sondern mit einer Entscheidung die ich getroffen habe. Für die Welt und das System in dem ich leben will. Denn in meinen Augen können wir nur so gemeinsam diese neue Welt schaffen, von der immer gesprochen wird.

Wenn also das nächste Mal wieder jemand von einer Entscheidung aus Angst oder Liebe spricht, dann lade ich dich ein das Narrativ und das Motiv der Person zu hinterfragen. Denn es ist aus meiner Erfahrung heraus allzu oft dazu da, um zu manipulieren.

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